Eine trollige Unterhaltung

Wie reden wir mit einander? Wie hören wir zu?

 

In meinem Studium habe ich mich mit terroristischen Organisationen beschäftigt. Eines der Resultate ist, dass ich zusammen mit Jochen Bittner das Buch »Ein unperfekter Frieden« geschrieben habe. Heute beschäftige ich mich als Coach und Trainer mit ganz anderen Organisationen und Menschen.

 

Am 31.3.2016 hat mein lieber Kollege Jochen einen Artikel auf der "Die Zeit"-Seite geschrieben mit dem Titel: »Ist Brüssel das neue Belfast?«.

 

In dem kurzen Artikel weißt er darauf hin, dass es Parallelen gibt zwischen der urbanen Subkultur in Brüssler Ortsteilen und dem, was wir in Nordirland kennengelernt haben. Kern seines Vergleiches ist es, Mao Zedongs Erklärung der Bedeutung der Gemeinschaft für eine Guerilla, auf den islamischen Terrorismus in Europa anzuwenden. »Der Revolutionär schwimmt im Volk wie ein Fisch im Wasser«. Daraus folgt, sich mit den Menschen zu beschäftigen , die es zulassen, dass die Fische zwischen ihnen schwimmen.

 

Ich denke über die Kommentare unter dem Artikel nach. Eigentlich habe ich Lust selber einen Kommentar unter den Artikel zu setzten und Jochens Vergleich zu stützen. Der guten alten Zeiten wegen. Gleichzeitig verliere ich die Lust auch sofort wieder. Früher habe ich in politischen Foren geschrieben. Erst unter meinem eigenen Namen. Dann anonym. Immer Kürzer. Und irgendwann gar nicht mehr. Die trollligen Antworten, die verbale Härte hat mich abgeschreckt. Der anonyme Stammtisch war nichts für mich. Auf Facebook gehöre ich inzwischen eher zu der »ich poste Katzenbilder«-Fraktion. Manchmal bedauere ich jeden, der im digitalen öffentlichem Raum steht. Erschreckende Online-Kommentare in der Flüchtlingsdebatte haben mich fast vollkommen virtuell verstummen lassen. Und Facebook-Freundschaften haben geendet. Vielleicht liegt es an mir, dass ich die Gräben als so tief empfinde. Oder es sind meine umständlichen libertären Gedanken, die andere abschrecken.

 

Daran denke ich, wenn ich die Kommentare unter Jochens Artikel lese. Alle angezeigten Reaktionen waren inhaltlich akzeptabel und viele mit Zitaten versehen. Keine Trolle weit und breit. Und doch habe ich das Gefühl, als wollten viele überhaupt nicht diskutieren. Einen gedanklichen Stein aufnehmen, um mit ihm zu spielen. Den digitalen Debattierklub genießen. Es scheint mir, als ginge es nur noch um Claims und Positionen. Soundbytes und Schlagworte. Donald Trumps in allen Fraktionen. Jochen prozessierte um zu klären, dass er nicht an einer geheimen Weltverschwörung teilnimmt. Harte Worte werden für die Presse gefunden. Auf twitter wirft ein mir unbekannter Nils Ruf mit Dreck und wird zurück beworfen. Und ich überlege, ob ich diesen Text überhaupt ins Netz stellen soll.

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Kommentare: 1
  • #1

    CheRaguse (Donnerstag, 31 März 2016 18:31)

    Ich sehe das ähnlich mein lieber Knoll. Eigentlich schade, dass man sich von diesen Dreckwerfern abschrecken lässt.

    Kaum einer ist noch an einem Dialog interessiert. Daher beteilige ich mich auch nur äußerst selten an einem Diskussion online. Es ist aber auch nicht meine Mission jedem meine aufzudrücken, zu erklären und jeden auf den (in meinen Augen) richtigen Weg zu bringen.

    Diskussionen im real life sind viel effizienter und gehaltvoller. Dort kann ich zudem noch abschätzen ob jemand nur was reinwirft um sich toll zu fühlen oder ob ein Austausch gewünscht ist.

    Ich glaube das Alter hat uns müse gemacht. ;)